Martin Fengel ist deutscher Fotograf und Künstler. Seine Illustrationen und Fotografien erscheinen regelmäßig in etablierten Zeitungen und Magazinen wie der Süddeutschen Zeitung, dem ZEITmagazin und Vice. Für uns hat er die Phil Karikatur gezeichnet. Im Interview erzählt er vom Charme des Schmäh Führens. Es muss nicht immer alles glatt und spießig sein – es geht auch witzig und sympathisch. Ohne dabei an Inhalt zu verlieren.
Sie sind gelernter Fotograf, arbeiten heute aber auch als Grafiker, Illustrator und Filmemacher.
Mittlerweile ist es ziemlich einfach, mit verschiedenen Medien zu arbeiten. Ich habe neben der Fotografie immer auch gerne gezeichnet und irgendwann machte ich den Schritt von statischen Bildern zu bewegten Bildern. Mit modernen Programmen wie iMovie ist das heute überhaupt kein Problem mehr, wenn man nicht ganz blöd ist. Das macht mir Spaß, ist aber nichts, womit ich jemals Geld verdient hätte. Darum geht es ohnehin selten in meiner Arbeit.
Worum geht es dann?
Die Welt schöner zu machen. Leuten Freude zu bereiten. Das zu machen, wovon ich denke, dass es richtig ist. Spuren zu hinterlassen. Ich habe eine Gabe vom lieben Gott bekommen und die muss ich irgendwie nutzen. Am Anfang hat mir das Angst gemacht und jetzt merke ich, dass ich mit meiner Arbeit vielen Leuten eine Freude machen kann. Und das ist super, finde ich.
Woher kommt der Hang zum Bildlichen?
Das hat wahrscheinlich mit meinen Eltern zu tun. Die haben mich schon als Kind viel in Museen mitgenommen. Ich habe früher auch gerne Jules Verne gelesen und in den Büchern gab es zu den verschiedenen Kapiteln Illustrationen, die mir schon damals viel Freude bereitet haben. Da entstand für mich zum ersten Mal der Zusammenhang zwischen dem Geschriebenen und dem Gezeichneten. Das Bild ist ein anderes Kommunikationsmedium als das Wort und hat mich als solches schon immer fasziniert. Mit einer Zeichnung lässt sich etwas anderes ausdrücken, als mit einer Fotografie und ein Film kann wiederum Dinge transportieren, die eine Zeichnung nicht vermitteln kann. Ich schreibe zwar auch gelegentlich, aber es macht mir ganz einfach Freude, in Bildern zu denken.
Ich bin daran interessiert, wie die Welt aussieht. Und die sieht heute anders aus als früher. Ich denke dabei zum Beispiel daran, wie lustig damals die Zeichnungen in der Münchner Straßenbahn ausgesehen haben und wie hässlich diese Figuren heute aussehen. Die müssen heute allen gefallen. Früher waren das lustige, dicke Damen, die zu viel eingekauft haben und sich festhalten mussten. Und jetzt sind es Leute, die immer korrekt ausschauen. Vieles ist spießig geworden.
Deshalb freue ich mich, wenn Auftraggeber wie PhilsPlace auf mich zukommen und mich bitten, lustige Figuren zu zeichnen, die einen Charakter haben. Inspiration für die Phil Karikatur war der Architekt Karl Schwanzer, ein Herr mit Schnurrbart. Phil ist eine gemütliche, charmante Figur, die beim Anschauen gute Laune machen soll. Das halte ich für einen schönen, sympathischen Zugang – speziell in der heutigen Zeit, in der es viel um kühlen Perfektionismus und Selbstoptimierung geht.
Wie kommen Sie zu Ihren Themen? Was ist Ihre Inspiration?
Ich lese viel, ich gehe viel in Museen. Ich interessiere mich dafür, was andere Künstlerinnen und Künstler machen. Man muss immer neugierig bleiben. Wenn man nicht mehr neugierig ist, kann man sich eigentlich auch gleich begraben lassen. Man kann aber auch nicht davon ausgehen, dass nur das richtig ist, was man selber macht. Ich zweifle auch sehr viel an mir selbst, aber in einer konstruktiven Art und Weise. Ich bin auch ziemlich schnell gelangweilt. Deshalb arbeite ich sehr viel mit jungen Leuten zusammen – weil ich den Austausch mit Andersdenkenden mag. Ich versuche dauernd etwas Neues zu machen. Man muss dem Neuen schon eine Chance geben. Aber wenn ich mir ansehe, wie Autos früher ausgesehen haben, dann sehen sie heute im Vergleich ganz schön langweilig aus. Die Bandbreite ist auf einen Einheitsgeschmack zusammengeschrumpft. Das, was ohnehin schon alle machen, muss man nicht noch einmal wiederholen. Wir leben heute in einer Zeit, die den 50ern sehr ähnlich ist. Vieles sieht zwar interessant aus, ist aber inhaltlich ziemlich langweilig. Es fehlt der Charme und das Herz. Das ist hier in Österreich schon anders als in München, wo ich lebe. Aber ich bin eben FC Bayern Fan und das kann man sich nicht aussuchen. Insofern arrangiere ich mich.
Karikaturen haben schon oft Kontroversen ausgelöst. Ist Ihnen das auch passiert?
Ja, klar. Karikaturen dürfen ulkig und übertrieben sein. Ich finde es schöner und interessanter, wenn sie eben nicht ausschauen, wie das, was wir aus der Realität kennen. Das ist doch das Langweiligste, was man machen kann.
Hatten Sie bei manchen Karikaturen Bedenken? Gibt es welche, die Sie gerne zurücknehmen würden?
Nein, ich finde das alles relativ harmlos, was ich mache. Ich arbeite meistens für Auftraggeber. Es ist interessant, sich in einem vorgegebenen Rahmen zu bewegen. Klar habe ich auch schon kontroverse Zeichnungen gemacht – ich finde das ulkig, solange es niemanden verletzt. Es wäre mir nicht wert, in der Türkei mein Leben aufs Spiel zu setzen für eine Erdogan-Karikatur. Es ist schon traurig, dass das mancherorts so gefährlich ist. Die Freiheit haben wir hier glücklicherweise, die Merkel etwas dicker zu zeichnen oder Jesus mit einem Ständer. Ich wüsste zwar ich nicht, warum ich das machen sollte. Aber es ist trotzdem schön zu wissen, dass man dafür nicht in den Knast wandern würde.
Worüber lachen Sie selbst gerne?
Über mich. Ich finde es nicht schlimm, wenn Witze über mich gemacht werden. Ich lache auch gern über die Deutschen. Es ist okay für mich, dass wir hier die Piefken sind. Wenn ich Deutsche manchmal im Urlaub sehe und sie weiße Tennissocken mit Sandalen tragen, dann schaut das nunmal furchtbar aus. Darüber darf man sich lustig machen. Oder wenn sie ihren eigenen Senf mitnehmen in den Urlaub, weil sie den auf Malle nicht bekommen. Ich finde es nicht schlimm, darüber zu lachen. Dafür lacht man über Italiener wieder anders oder über Türken – ohne dafür gleich in eine Ecke gestellt zu werden. In dem Moment, in dem man anfängt, miteinander zu reden und Späße zu machen, versteht man sich doch auch. Das halte ich für einen charmanten Zugang zu Menschen. Ich fände es traurig, wenn keiner mehr Späße über mich machen würde.
Die Simpsons schaue ich auch gerne. Und lustige Künstler gibt es auch. Kippenberger, Thomas Bernhard, Ulrich Seidl – Österreich hat generell eine große Humorqualität, wobei ich dabei nicht unbedingt André Heller meine. Ich mag zwar das Leichte in der Welt, wenn man Spaß miteinander macht und nicht alles so eng sieht. Manchmal sagt man „Guten Morgen” und die Leute schauen einen an, als hätte man gesagt „Du hast Scheiße auf der Stirn stehen”. Da weiß ich einfach nicht, wieso die Leute so verkrampft sind. Ich bin halt in einer Welt groß geworden, in der man auch mal Schmäh macht – in der man lustig miteinander umgeht und nicht so verbittert und ernst. Ich lache gerne. Ich freue mich aber auch wenn es regnet und ich im Bett liege und nicht draußen sein muss.
Wie sehen Sie die Zukunft der Karikatur? Auch vor dem Hintergrund neuer Lesegewohnheiten?
Die Print-Presse wird den Bach runter gehen glaube ich. Das wird vielleicht noch 10 Jahre dauern und dann gibt es die nicht mehr. Dabei finde ich es eigentlich ganz schön, etwas haptisch in der Hand zu haben. Ich find es auch schön, wenn Inhalte nicht nur aus Kurzinfos bestehen – wenn man sich mit Dingen auch so ein bisschen beschäftigt, nicht nur Häppchen konsumiert.
Ist das vielleicht auch der Grund dafür, dass sich in der Kunst vieles nur mehr an der Oberfläche bewegt und wenig in die Tiefe geht?
Vielleicht. Man muss nicht viel kapieren für ein kleines Informationshäppchen am Smartphone. Das ist natürlich bequem. Ich dachte, dass mit der Entwicklung der Technik auch eine geistige Entwicklung passieren würde – dass wir schlauer werden. Aber das stimmt nicht. Ich denke z.B. dass wir in gewissen Bereichen schon einmal weiter waren als wir es heute sind. Wenn man sich zum Beispiel das PhilsPlace Gebäude ansieht, das in den 70er Jahren erbaut wurde – so baut heute niemand mehr. Das sieht man auch an den Autos. Die sehen heute aus, als wären sie für degenerierte Baby-Erwachsene konzipiert worden. Alles ist abgerundet und darf nicht mehr als drei Knöpfe haben, damit man ja nicht zu viel kapieren muss. Sonst könnte es zu kompliziert werden. Und das finde ich sehr schade, denn eigentlich ist ja Wissen auch was Schönes. Oder sich mit etwas in der Tiefe auseinandersetzen. Manchmal ist es schon gut, wenn Dinge einfach zu verstehen sind, aber zu oft ist es einfach platt geworden.
Portraitfoto: ©Albrecht Fuchs